Nachtstreife · Aus dem Leben eines Großstadt-Polizisten by Gaertner Karlheinz

Nachtstreife · Aus dem Leben eines Großstadt-Polizisten by Gaertner Karlheinz

Autor:Gaertner, Karlheinz [Gaertner, Karlheinz]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erfahrungen
ISBN: 9783280055755
Herausgeber: Orell Füssli
veröffentlicht: 2015-03-02T00:00:00+00:00


Kriminelle Karrieren

Kriminelle Karrieren entwickeln sich meist langsam, aber stetig: Mai 2001, die Frühlingssonne strahlt, auf der Sonnenallee staut sich bereits vormittags der Verkehr. Wir befinden uns auf Streifenfahrt und können staunend den Grund für diese Verkehrsbehinderung betrachten. Drei Motorroller mit jeweils zwei Jugendlichen besetzt, fahren nebeneinander, die gesamte Breite der Fahrbahn einnehmend, mit 30 Stundenkilometern durch diese stark frequentierte Hauptstraße Neuköllns. Sie grölen herum, fahren Zick-Zack und schreien lautstark Autofahrer an, die versuchen zu überholen. Wir machen diesem Spuk ein Ende und überprüfen die sechs Burschen. Zunächst müssen wir uns anmaßende und pöbelnde Bemerkungen anhören. Nachdem feststeht, dass es sich um Jugendliche handelt, die im sogenannten Herzbergkietz für reichlich Unruhe unter den dortigen Bewohnern sorgen, werden sie genauer überprüft.

Erstaunt stelle ich fest, dass diese große Töne spuckenden und rotzfrechen Knaben eigentlich in der Schule sitzen müssten. Während ich einen größeren Einsatzwagen anfordere, um sie zu ihren jeweiligen Schulen bringen zu lassen, ziehen diese lässig und lachend Schriftstücke hervor, aus denen hervorgeht, dass sie vom Unterricht befreit seien. Durch telefonische Nachfragen in den Schulen wird dies bestätigt. Die Gründe hierfür: Ständiges Stören des Unterrichts, Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und vieles mehr.

Etwas hilflos und durchaus frustriert beenden wir diese Kontrolle. Wieder im Streifenwagen sitzend, bin ich mir mit meinem Beifahrer Schulle einig: Die Jungs sehen wir in den nächsten Jahren wieder. Wie recht wir damit haben sollten, stellte sich schon im folgenden Halbjahr heraus. Zunächst beauftragte ich ein Team meiner Fahndungseinheit, sich intensiver mit diesen Jugendlichen zu beschäftigen. Das bedeutet, diese öfter in ihrem Kiez zu überprüfen und auch zu beobachten, um ihre Aktivitäten besser zu überblicken. Tatsächlich gelang es uns, die erwähnten sechs und weitere zwölf Mittäter insgesamt 29 Mal festzunehmen. Dabei wurden 23 besonders schwere Diebstähle von Motorrollern, vier Bandendiebstähle, zwei Straftaten mit Raub bzw. räuberischer Erpressung sowie etliche andere Straftaten aufgeklärt. Aufgrund ihres Alters hatten diese Kleinkriminellen dennoch nicht viel zu befürchten. Sie sollten uns jedoch bald in noch ganz anderer Weise beschäftigen.

Zunächst aber begann das Jahr mit einer Geschäftseinbruchswelle. Die Vorgehensweise bei diesen Einbruchsdiebstählen war zwar nicht neu, dafür jedoch die Intensität. Alle zwei bis drei Tage ein Geschäftseinbruch, das erschreckte mich dann doch. Was war geschehen?

Boutiquen, Handyläden und Kioskbesitzer wurden um ihre Waren erleichtert, indem eiserne Gullydeckel in die Schaufenster geschleudert wurden. Anschließend wurden die Verkaufsräume in Sekundenschnelle geplündert. Dabei hatten wir zunächst den Verdacht, dass es sich bei den Tätern um bereits hinlänglich bekannte rumänische Diebesbanden handeln könnte, die diese Einbruchsmethode in Berlin eingeführt hatten. Sie waren damit bereits seit Monaten erfolgreich im gesamten Stadtgebiet unterwegs.

Parallel zu dieser südosteuropäischen Bande fiel auf, dass sich Mitglieder einer uns bekannten kriminellen arabischen Großfamilie und deren engste Freunde ausgesprochen modisch kleideten. Dazu zählten die neusten und teuersten Markenturnschuhe genauso wie die bereits obligatorischen Carlo-Colucci-Pullover. Als wir dann obendrein noch durch die Laubestraße in Neukölln fuhren (Wohnsitz jener Großfamilie) und einen geparkten Mietwagen entdeckten, der zuvor bei einem sogenannten Gullydeckeleinbruch von Zeugen gesehen worden war, stand nicht nur für mich fest: unsere »Freunde« waren im Einbruchsbereich aktiv. Zusätzliches Indiz: Der Mietwagen war bis zum Dach mit unzähligen Carlo-Colucci-Kleidungsstücken gefüllt.



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